Auswirkungen der Digitalisierung auf den Arbeitsmarkt

Der Grüne Kantonsrat Urban Frye hat dem Regierungsrat im Mai 2018 diverse Fragen gestellt zum Thema:

„Digitalisierung: Eine die gesamte Gesellschaft verändernde industrielle Revolution mit vielen Chancen, aber auch erheblichen Risiken“

Hier geht es zur Anfrage als PDF.

Der Regierungsrat hat im September folgende Antworten veröffentlicht: Zur Antwort in PDF-Form.

Urban findet, dass die Luzerner Regierung in ihren Antworten viel zu wenig anerkennt, wie stark die kommenden Veränderungen sein werden. Lies hier sein Votum, das er am 23. Oktober 2018 dazu im Kantonsrat hielt:

Beim Durchlesen der Antwort des Regierungsrates bekam ich den Eindruck, dass die Regierung einfach die Liegestühle auf der Titanic umgruppiert im Glauben, es werde alles so weitergehen wie bisher. Für jeden Job, der verschwindet, werden zwei neue, viel bessere entstehen und es geht nur noch darum, der Frau an der Migros-Kasse schnell das Roboter-Programmieren beizubringen.

Ich habe die SECO-Studie angeschaut, auf die sich der Regierungsrat abstützt. Sie berücksichtigt keine einzige wirklich relevante wissenschaftliche Studie. Die Verfasser haben sich in erster Linie einfach bei der Swissmem rumgehört, was sie denn so zu diesem Thema meinen. Eben hat McKinsey eine Studie über die Schweiz veröffentlicht: In den kommenden fünfzehn Jahren werden 1.2 Mio. Jobs verschwinden und 800‘000 neue entstehen. Und wenn nun jede Kassiererin programmieren lernt, so bleiben doch 400‘000 Arbeitslose, auf den Kanton heruntergerechnet gut 20‘000.

Internationale, seriöse und unabhängige Studien wie etwa die von hochangesehenen Ökonomieprofessoren der Elite-Universitäten Oxford oder der London School of Enconomics prognostizieren in den kommenden Jahren einen dramatischen Abbau von 50% aller Arbeitsplätze in den Industrienationen. Und die werden jetzt alle wieder durch neue ersetzt. Es ist auch nicht so, dass das bis jetzt der Fall war. Durch die jeweilige Produktivitätssteigerungen sind die Arbeitszeiten von 70 Stunden die Woche auf 42 gesunken, die Kinderarbeit wurde abgeschafft und auch zu grossen Teilen die Frauenarbeit. Zudem konnten dank der zunehmenden Globalisierung jeweils neue Absatzmärkte erschlossen werden. Heute sind diese Länder, wie etwa China, zu Exportnationen mutiert. 1930 prophzeite John Maynard Keynes, Gründer des Keynesianismus, also der Empfehlung zu antizyklischem Investitionsverhalten, in seinem Aufsatz „Economic Possibilities for our Grandchildren“, dass wir in unserer Generation noch einmal entschieden weniger arbeiten werden.

Da stehen wir jetzt. Wir können es machen, wie der Regierungsrat vorschlägt, und alle Prognosen einfach ignorieren, oder wir können in Risikoszenarien denken. Kein AKW-Betreiber handelt wie der Regierungsrat und hat keinen Plan für einen ernsthaften Unfall, einfach weil seiner Meinung nach das Risiko klein ist. Wenn die Arbeitslosenzahl in der Schweiz, nach den Bemessungskriterien der EU, von heute 5% auf 15% ansteigt, haben wir bereits ein enormes Problem für unsere Sozialversicherungen und Sozialinstitutionen. Sich darüber keine Gedanken zu machen, ist grobfahrlässig.

Die Digitalisierung wird unsere ganze Gesellschaft auf den Kopf stellen. Wir werden neue Modelle zur Verteilung der Arbeit entwickeln müssen wie auch ganz neue Steuermodelle. Nach der Empfehlung des Regierungsrates sollen wir uns auf den neu arrangierten Liegestühlen auf Deck der Titanic weitersonnen und uns keine Gedanken über den drohenden ökonomischen und damit gesellschaftlichen Kollaps machen. Offenbar ist der Regierungsrat schlauer als ganze Forschungsteams von Ökonomieprofessoren an den weltweit renommiertesten Universitäten.

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